Retaxrisiken
RahmenV 2019[Stand: 26.07.19]
Retaxrisiken
Bei Nicht-Lieferbarkeit von RA/ 4 Preisgünstigsten: Abgabe eines verfügbaren, aber nicht des nächstbilligeren verfügbaren Artikels (zwingend vorgeschrieben, außer bei Importen)
Wunscharzneimittel:
• Nullretaxrisiko bei Pharm. Bed. wie "Compliance gefährdet", "Kognitiv nicht vermittelbar", "Patient akzeptiert nur verordnete Firma."
• Verlangt der Patient eine bestimmte Firma schreibt § 15 Satz 1 und 2 in diesem Fall die Abgabe als Wunscharzneimittel vor: Selbstzahlung gegen Kostenrückerstattung, andernfalls Nullretaxrisiko.
• Zusätliches Retaxrisiko bei Wirkstoffverordnungen: Abgabe nur der 4 Günstigsten, ansonsten Änderung auf gewünschte Firma mit Arztunterschrift/ Datum. Nur wenn die gewünschte Firma die nächstbilligere ist, ist ein Arztanruf/ Vermerk ausreichend.
• Leserkommentar auf DAZ online: "Und was ist eigentlich mit unserem pharmazeutischen Bedenken geworden, das früher bei solchen Fällen nicht retaxiert wurde, weil wir damit noch unsere Kompetenz ausspielen konnten [...]? [...] Aus dem pharmazeutischen Bedenken wurde jetzt ein sonstiges Bedenken? Warum diese Wortwahl? [...] Wer von uns Pharmazeuten hätte sich das gewünscht? Wird das sonstige Bedenken jetzt endlich auch retaxiert? Beim pharmazeutischen Bedenken haben sie sich das nicht getraut." (Leserkommentar (Elke Obendorf) auf DAZ online, 04.07.19: Darf man den Preisanker überschreiten?/ Julia Borsch, Apothekerin)
Übernahme des zuletzt verordneten Artikels z.B. aus der Kundenstatistik statt des verordneten - Falscher Preisanker bei Nicht-Lieferbarkeit.
Retaxrisiko Kundenstatistik:
• lö/ rw/ gar nicht mehr gelistete Artikel fallen evt. nicht auf
• falsche PZN/ N-Größe fallen evt. nicht auf
• falscher Preisanker wird gesetzt, da dafür das verordnete Präparat oder Wirkstoffsuche eingegeben werden muss
Abgabe über Preisanker ohne Vermerk über Arztzustimmung: § 12 Satz 4 (Generika) schließt eine Abgabe über Preisanker aus. DAV-Kommentar S. 60 Absatz 3 (fettgedruckt): Abgabe über Preisanker nur nach Arztanruf (außer in der Akutversorgung/ Notdienst § 14 (2)). Ein vergessener Vermerk ist nach § 6 (1) Satz 2 d) kein unbedeutender Formfehler, da er die Wirtschaftlichkeit der Versorgung nicht unwesentlich beeinflusst.
Abgabe von Importen teurer als der verordnete Import: § 13 (2) Satz 2 schließt eine Abgabe über Preisanker aus. DAV-Kommentar S. 70 Absatz 4 (fettgedruckt): Abgabe über Preisanker nur nach Arztanruf (außer in der Akutversorgung/ Notdienst § 14 (2)). Ein vergessener Vermerk ist nach § 6 (1) Satz 2 d) kein unbedeutender Formfehler, da er die Wirtschaftlichkeit der Versorgung nicht unwesentlich beeinflusst.
Vorgänger/ Nachfolger
• z.T. nicht austauschbar (Preisanker, andere Stärke, andere Einstufung AP/SO, Rx/RT)
Flasche Rabattartikel aufgrund falsch eingegebener KKasse.
Vordatierung, v.a. bei Direktbestellungen/ Allergie-Bestellungen/ Hochpreisern/ BtM-Abgabe nach Vorlagefrist von 7 Tagen nach Ausstellung Quelle
Vordatierung: Gegenzeichnung des Arztes mit Datum und Unterschrift erfolgt erst nach Druckdatum
Druckdatum vor Ausstellungsdatum, z.B. bei versehentlicher Übernahme des Vorbestelldatums (Quelle)
Gegenzeichnung des Arztes ohne Datum (zwingend erforderlich, erneuter Praxisstempel weder erforderlich noch ausreichend)
Retaxrisiko bei Arztabänderung der Menge/ Stärke/ Firma ohne Änderung von PZN UND Normgröße
Änderung nach Arztanruf, obwohl Arztunterschrift/ Datum erforderlich, betrifft v.a. Menge (außer bei BtM-Rezepten). Siehe Heilungsmöglichkeiten
Mengenänderung nach Arztanruf (Arztunterschrift/ Datum erforderlich)
Unleserliche Rezepte. § 126b BGB Satz 1 (alle Angaben auf Urkunden müssen lesbar sein) i.V.m. (§ 35 (2) Satz 2 BMV-Ä i.V.m. Punkt 5. Satz 1 Seite 5 Vordruckerläuterung 01.04.19 i.V.m. § 7 (1) Satz 1 HM-RL G-BA i.V.m. § 17 (5) Satz 2 ApBetrO. Leserlich heißt laut Gerichtsurteil, leserlich für Nichtfachkundige (Patienten) (Amtsgericht Hagen AZ 10 C) 33/97). Handschriftlich ausgestellte Rezepte sind erlaubt, sofern alle Angaben jederzeit und ohne Schwierigkeiten deutlich lesbar sind.
Unleserliche Vermerke der Apotheke - alle Angaben müssen jederzeit und ohne Schwierigkeiten deutlich lesbar sein § 126b BGB Satz 1 i.V.m. Amtsgericht Hagen AZ 10 C) 33/97)
Arztunterschrift im Stempel: Die Arztunterschrift darf nicht im Stempel stehen, sondern nur unter der letzten Verordnungszeile Punkt 12. Seite 16 Vordruckerläuterung 01.04.19
2 x 50 St N2: Abgabe von 1 x 100 St N3 (Mengenänderung der verordneten Packung nur mit Arztunterschrift/ Datum)
2 x 50 St N2: Abgabe von 1 x 100 St N3 nach Arztanruf (Mengenänderung der verordneten Packung nur mit Arztunterschrift/ Datum)
aut-idem-Kreuz HINZUFÜGEN: Nur durch den Arzt (Arztunterschrift/ Datum aber NICHT erforderlich), NICHT nach Arztanruf (Retaxrisiko)
aut-idem-Kreuz STREICHEN: Nur durch den Arzt MIT Arztunterschrift/ Datum
Vermerk des Vorlagedatums vergessen (§ 2 (11) Satz 3) bei späterer Rezeptbelieferung, betrifft v.a. Direktbestellungen/ Allergie-Bestellungen/ Hochpreisern/ BtM-Abgabe nach Vorlagefrist von 7 Tagen nach Ausstellung
Defektnachweis fehlt: 2 Verfügbarkeitanfragen erforderlich bei Vollgroßhändlern. Hinweis: AEP ist laut Homepage Vollsortimenter. Herstellerdirekt-Anfragen, Pharma-Mall zählen nicht.
Pharmazeutische Bedenken: Bei Abgabe über Preisanker ohne Vermerk "Arzt stimmt Abgabe von Firma xyz zu."
Pharmazeutische Bedenken: Begründung bezieht sich nur auf Rabattartikel: Pharm. Bed. müssen gegenüber ALLEN billigeren Präparaten auf dem Rezept dokumentiert werden, z.B. bei Teilbarkeit.
PZN weicht vom verordnetem Artikel ab.
Normgöße weicht vom verordnetem Artikel ab.
Arztabänderung der Menge/ Stärke/ Firma ohne Änderung von PZN UND Normgröße
Klinikware veordnet (HRT)
Aufdruck von Sonder-PZN vergessen
Falsche Sonder-PZN bei Cannabis (neue Sonder-PZN seit 01.04.19)
2x (2 OP oder Dosierung?)
Vorname des Arztes fehlt, bei i.V. Berufsbezeichnung fehlt (Dr. med. ist keine Berufsbezeichnung, sondern ARZT)
"Laut Rückspr. mit Fr. ..." (MTA) - Arztrücksprache hat mit dem Arzt zu erfolgen
Weißmarkern
Benutzen von blauen Kugelschreibern
Arztunterschrift in Rot
Vermerke des Arztes in Rot
Aufkleber im Patientenfeld
Schwach gedruckte Rezepte (TA 2, 1.6 i.V.m. § 303 (3) SGB V) (Apotheke adhoc, 15.08.17: Apo-Tipp: Retax-Fallen: Schwacher Druck und roter Stift/ N.N.
Wer haftet bei Retax?
DAZ online, 30.11.18: Gericht: PTA muss nicht für Retax geradestehen (DAZ online, 30.11.18/ Kirsten Sucker-Sket) und vergleichbare Urteile.
Der RahmenV 2019 ist mit
• höherem Arbeitsaufwand,
• Verlangsamung der Abverkäufe (längere Wartezeiten aufgrund der neuen Dokumentationspflichten/ exakten Startartikeleingabe/ Arztanrufen/ Neueingabe statt Statuswechel/ zu komplizierte Regeln, zudem gelten teilweise bestimmte Bestimmungen der kassenabhängigen Landeslieferverträge vorrangig),
• stark erschwerter Belieferung von Wirkstoffverordnungen
• häufigeren Bestellungen (erschwerte Sofortbelieferung),
• häufigerer Nichtbelieferung, da Verbundlieferung bei der Verfügbarkeitsabfrage z.T. als nicht-lieferbar gelistet ist,
• fehlender Belieferungsmöglichkeit von "ASS 100 N3 TAB" und "Novaminsulfon 100 St",
• häufigeren Präparatewechseln,
• häufiger Import statt Original,
• verwirrenden Import-Substitutions-Vorschriften (30 verschiedene Fälle),
• evt. höhere Strafzahlungen bei nicht ausreichender 15/15/5-Importabgabe,
• erschwerter Lagerhaltung,
• höheren Retaxrisiken,
• höherer Patientenunzufriedenheit und
• z.T. höheren Zuzahlungen
verbunden, sodass teilweise eine Überforderung der Mitarbeiter resultiert.
Hinzu kommt, dass mit dem RahmenV 2019 arbeitgeberseits ein Vorschriftenwerk normifiziert wurde, das nur noch zufällig fehlerfrei beherrschbar ist, aufgrund der
• Komplexität,
• Umfang (50 Seiten Vertragstext + 250 Seiten Erklärungen für die Abgabe eines Artikels erforderlich),
• Fülle an Retaxrisiken,
• zusätzliches Nullretaxrisiko bei allen Verstößen = generell höheres Retaxrisiko,
• häufig fehlende Prüfmöglichkeit, ob die Abgabereihenfolge eingehalten wurde
• ohne Retaxschutz in der Übergangszeit bis auf wenige z.T. unwesentliche Punkte bei einigen KKassen,
• Verschachtelung,
• Unverständlichkeit,
• Widersprüchlichkeit,
• Normenkollisionen (mit SBG V/ AMVV/ BtMVV/ ApBetrO/ G-BA Richtlinien/ BfArM-Vorgaben/ Gerichtsurteilen/ BGB/ Landeslieferverträgen),
• Unkonkretheit,
• Einschränkung der abgabefähigen Artikel auf Preisanker,
• stark erschwerte Wirkstoffverordnungs-Belieferung
• häufig wechselnde abzugebende Präparate durch 14tägige Preisanpassungen und Ausverkauf des billigsten Artikels,
• dadurch auch erschwerte Lagerhaltung,
• z.T. häufigere Berücksichtigung von Importen (z.T. häufigere Umstellung von Originalen),
• fehlende Möglichkeit für den Arzt, Original zu verordnent, wenn Import Rabattpartner,
• fehlende Möglichkeit der Originalabgabe ohne Arztanruf, wenn kein Import lieferbar, aber verordnet,
• schwierigere bzw. gar keine Belieferung von "ASS 100 N3 TAB" und "Novaminsulfon >Novaminsulfon 100 St",
• Wunscharzneimittel statt Compliance gefährdet,
• Praxisuntauglichkeit
• und in einigen Fällen schlichtweg nicht umsetzbar ist, wenn kein Platz für Vermerke/ Sonder-PZN/ etc. auf dem Rezept vorhanden oder der Arzt nicht erreichbar ist.
Zumal der RahmenV 2019 durch die
• permanente zeitaufwendige Dokumentationspflicht/ Verfügbarkeitsabfragen,
• regelmäßig erforderlichen Arztanrufe,
• höhere Zuzahlungen und
• erforderliche Eingabe des exakten Startartikels eine deutlich Zusatzbelastung/ Erklärungsaufwand darstellt,
was durch die
• höhere Belastung und
• höhere Patientenunzufriedenheit mit Diskussionsbedarf (
• längere Wartezeiten/
• höhere Defektquote =
• häufigerer zweiter Weg/
• häufiger Neuverordnungen erforderlich/
• häufiger andere Firma/
• Import statt Original/
• Wunscharzneimittel statt Compliance gefährdet/
• z.T. höhere Zuzahlungen)
ein fehlerfreies Arbeiten zusätzlich erschwert, wenn nicht sogar ausschließt: Psoriasis-Netz.de, 11.07.19: Warum man jetzt in Apotheken länger wartet (Psoriasis-Netz.de, 11.07.19/ Rolf Blaga).
Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit gilt dagegen Arbeitnehmerhaftung.
Wie können Krankenkassen die Abgabereihenfolge überprüfen?
Abgabe über Preisanker: Vergleich der verordneten PZN mit der abgegebenen PZN.
lö/ rw/ gar nicht mehr gelistete Artikel: In der Produktdatenbank hinterlegt. Verordnete lö-Artikel, etc., können automatisch erkannt werden.
Rabattartikel nicht abgegeben (z.B. bei Eingabe falscher KKasse): Vergleich der abgegebenen PZN mit Rabattartikel-Datenbank.
Nicht lieferbare Artikel:
• BfArM-Liste Lieferengpässe für Humanarzneimittel (Selbstverpflichtung zur Meldung von Lieferengpässen der pharmazeutischen Industrie). Im Umkehrschluss sind alle dort nicht gelisteten Artikel prinzipiell lieferfähig. Das Gegenteil hat die Apotheke bei Retaxen per Nicht-Verfügbarkeits-Dokumentation nachzuweisen (§ 2 (11) Satz 2). D.h. je schlechter die Liste der Industrie ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit von unberechtigten Retaxen und je besser die Liste der Industrie ist, desto einfacher können die KKassen retaxieren.
• Tagesaktuelle Daten z.B. durch lizensierten Zugriff auf Datenbanken von Arzneimittelvergleichsportalen, die Apotheken-Shops täglich abfragen.
• Tagesaktuelle Daten z.B. durch kasseneigene Spider, die Apotheken-Shops täglich abfragen.
• Logischer Abgleich der eingereichten Apotheken-Daten: Z.B. dürften Firmen mit über 80 % gemeldeter Defektquote tatsächlich defekt sein, bei unter 20 % dagegen evt. nicht (tagesaktuell erstellbar).
• Bei vorhandenen Daten kann softwaremäßig ermittelt werden, ob die abgegebene PZN zu den abgabefähigen gehört oder ob evt. ein preisgünstigerer abzugebender Artikel zur Verfügung stand.
Nullretax oder Differenzretax?
Bei allen Verstößen gegen die Abgabereihenfolge ist dieselbe Retaxmöglichkeit vorgesehen: KKassen dürfen auf Null retaxieren oder freiwillig auf Retax verzichten oder teilweise verzichten. Eine Unterscheidung, ob ein Rabattartikel nicht abgegeben wurde ((z.B. bei Eingabe falscher KKasse/ Missbrauch von Dringer Fall/ Pharmazeutischen Bedenken) oder nicht der nächstgünstigste Artikel abgegeben oder ob über Preisanker beliefert wurde, existiert nicht.
In älteren Verträgen waren verschiedene Fälle nicht geregelt, sodass in diesen Fällen Differenzretax ausgeübt wurde. Im RahmenV 2019 sind diese Fälle geregelt, u.a in § 12 Satz 4 (für Generika) und § 13 (2) Satz 2 für Importe.
Ausführungen
Weitere Praxisbeispiele
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